Anne Erfle_:
Süddeutsche Zeitung, 17.09.1996
Diaschau mit Predigt und Pudel
Drei Installationen von Stetka/Hinterseer in der Galerie der Künstler
Die Faszination, triviale Dinge auf absurde Weise zu verfremden, indem
man sie auf den Sockel der Kunst erhebt, keimt seit Marcel Duchamp immer
von neuem auf. Die Absichten jedoch, die man mit diesem Akt verfolgt,
haben sich mit zunehmender Aufklärung verändert. Das Künstlerduo
Andreas Stetka und Helmut Hinterseer, beide Jahrgang 1961 und Absolventen
der Münchner Kunstakademie, zeigen mit drei Raum-Installationen in
der Galerie der Künstler ihre Version. 'Keusch' steht als Titel über
dem Seiteneingang zu den Ausstellungsräumen des BBK im Völkerkundemuseum.
Dieser durch christliche Moralgebote besetzte Begriff läßt
im Inneren des Kunstbaus Ironisches vermuten. Man betritt die Ausstellungsräume,
und sogleich bestätigt sich die Vorahnung. In theatralischem Tonfall
schallt dem Besucher die Deklamation einer Predigt entgegen. Sie tönt
von hoch oben aus verschiedenen Lautsprechern als Kommentar zu einer Reihung
großformatiger Diaprojektionen. Aus vier Projektoren werden Bilder
in rascher Folge nach einem computergesteuerten Programm an die Wände
geworfen. Wie ein Fries überziehen die Dias die Wände in voller
Höhe. Die abgedunkelten Räume mit ihrem hohen Tonnengewölbe
suggerieren die würdevolle Atmosphäre sakraler Stätten.
Gezeigt wird die pedantische Dokumentation des Weges von der Balkontür
eines Neubau-Appartements durch das Wohnzimmer und den Flur bis zum Klo.
Die Story wurde von den Künstlern in leicht verschobener Perspektive
durch 324 Farbdias photographisch aufgezeichnet. Es ist aber noch gar
keine Story. Erst das mit salbungsvollem Pathos vorgetragene Gelaber über
Banalitäten mit abwechselnd belehrendem, beschreibendem oder pseudophilosophischem
Inhalt belebt die menschenleeren Bilder auf skurrile Weise. Analog zu
mancher 'Predigt' im häuslichen, kirchlichen oder politischen Bereich
registriert man schmunzelnd die Absurdität der Phrasen. Absurdes
zieht sich auch durch die anderen zwei Arbeiten. Im anschließenden
Raum läuft ein Video zum Thema 'Dame mit Hündchen', inszeniert
wie ein Werbespot für keimfreies Hundefutter. Da wird einem frisch
geföhnten Pudel nach Verrichtung seines Geschäftes vom Frauchen
liebevoll der Hintern abgewischt. 'Pudels Kern' nennen die Künstler
den kurzen Film und lassen die Episode in Endlosschleife laufen. Eine
zynische Metapher für Mythen, Riten und Werte der Gesellschaft im
Lande Goethes. Auch 'Nabelschau', die zwei Räume füllende dritte
Arbeit von Stetka/Hinterseer nimmt Bezug auf einen Großen der Kunst.
Hier ist es Leonardo, an dessen Proportionstheorie sie sich orientieren.
Nicht jedoch um der Ästhetik der richtigen Perspektive gerecht zu
werden, sondern um das Maß von alltäglichen Gebrauchsgegenständen
auf absurde Weise zu verändern...".
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