Enrico Santifaller_:

Stetka & Hinterseer Große Fische, kleine Fische - Polizeipräsidium, Innsbruck 1996

Innsbrucker Leckerbissen

Der Habsburger Maximilian I. ist nicht nur als letzter Ritter, sondern auch als kluger Stratege in die Historie eingegangen. Der Kaiser bescherte Innsbruck das Goldene Dachl und war auch ein großer Anhänger der "Jagt auf das Schuppenwild". Ein gleichnamiges Lehrbuch des Fischfangs ließ er nach gut kammeralistischer Art schreiben und verordnete seinem felix austria, statt Kriege zu führen, das Angeln von Fürstentöchtern. Manche Früchte dieser Politik haben sich bis in die österreichische Republik gerettet. Wie in anderen Ländern auch hat man jetzt für die Kunst am Bau statt Herrscherlaune ein verordnetes Prozent, dennoch geht des Kaisers Nachfolgern - gelernt ist gelernt - in den trüben Wassern der Kulturpolitik manch guter Fang ins Netz - das im Gegensatz zu anderen Ländern. Just in Innsbruck gelang es nun den Verantwortlichen für den neuen Anbau des Polizeipräsidiums (Architekten Ekkehard Stummvoll, Martin Kunzenmann) das Künstlerduo Andreas Stetka und Helmut Hinterseer zu gewinnen, das mit seiner Licht-Installation "Große Fische, Kleine Fische" ein subtiles, höchst irritierendes Spiel betreibt.

Nichts steht im Wege, weder provokante Gebärde noch applizierte Behübschung, die nur darauf warten, ignoriert zu werden. Im Erdgeschoß und im ersten Stock, dort wo in einem Lichthof sich die Warteräume des Mobilen Einsatzkommandos und der Ausländer-, Paß- und Waffenbehörde befinden, hängen wie schwebende Aquarien bunte Leuchtkästen knapp unter der Decke. Hier zeigt ein Hai seine Zähne, dort schnappen aufgesperrte Fischmäuler nach Luft, dort huschen riesige Fischschwärme um die Ecke. Während unten sich die Fische noch in ihrem Element bewegen dürfen, weisen Tafeln im zweiten, nur den Polizeivorderen vorbehaltenen Stock auf ihr höhere Bestimmung hin. Ebenfalls knapp unter der Decke - man muß sich schon strecken, um zu Herrschaftswissen zu gelangen - verzeichnen sie exakt jene Meeresfische, die man in der Alpenrepublik kaufen kann, und geben Herkunft und Zubereitungsart an.

Auch Österreich kannte eine "Eisbärenzeit" (Liesbeth Waechter-Böhm), in der jeder größere öffentliche Bau mit einer Tierplastik verziert wurde. Ist also diese fast beiläufig wirkende Installation von Stetka & Hinterseer ein Rückgriff auf diese Tradition? Oder eine aufs Kulinarische übertragene Darstellung des immer neuen Konfliktes zwischen Oben und Unten? Viele Interpretationen bieten sich an. Ob da ein kleiner Fisch bereits am Haken steckt und nun warten muß, gefressen zu werden? Ob sich da manch Großer verschluckt? Ob da manch glitschig-glatter Leckerbissen durch die Finger gleitet, oder ob da manch Gräte im Halse steckenbleibt? Schon zu Maximilians Zeiten war die Jagd auf edles Wild höheren Rängen vorbehalten. Guten Appetit!


BLZ Aktuell, 1996



© Andreas Stetka